Ein Gespräch mit Diemo Ruhnow über das NextGen Camp Hamburg/Schleswig-Holstein, den Hintergrund, die Zielsetzungen und modernes Entwickeln.

Redaktion: Du hast vor vielen Jahren in Schleswig-Holstein und Hamburg als Trainer angefangen, warst danach viele Jahre Bundestrainer in Deutschland und arbeitest seitdem im Ausland. Jetzt stehst du mit dem NextGen Camp Hamburg/Schleswig-Holstein wieder an der Spitze eines neuen Projekts. Was steckt hinter dieser Idee?
Diemo Ruhnow: Letztendlich geht es um moderne und ganzheitliche Talentförderung – also darum, den Kindern neben der wöchentlichen Trainingszeit in den Vereinen und Stützpunkten noch mehr Input, aber auch freudvolle und interessante Lehrgänge zu bieten. Gleichzeitig möchten wir nicht nur den Austausch auf Trainer:innen- und Vereinsebene ankurbeln, sondern ganz gezielt Trainer:innen und vor allem auch Trainerinnen weiterentwickeln und fortbilden – bis hinein in die Vereine, um diese bei ihren Herausforderungen zu unterstützen.
Redaktion: Wie kam es zu dieser Idee? Gab es einen Moment oder eine Beobachtung, die dich besonders inspiriert hat?
Ruhnow: Ich war ja schon früher Leiter des Talentteams Hamburg – und wenn man die vielen internationalen Spieler:innen wie z. B. Yvonne Li, Jan Colin Völker oder Stine Küspert sieht, um nur einige zu nennen, war das damals schon eine gute Sache. Durch meinen Sohn, bei dem ich mir ein paar Vereinstrainings angeschaut habe, habe ich aber auch gesehen, dass viele Trainer:innen vor sehr komplexen Herausforderungen im Vereinstraining stehen. Genau hier wollen wir ansetzen. Durch meinen Wohnort am Rande von Hamburg in Schleswig-Holstein interessiere ich mich natürlich generell für die Entwicklungen im Nachwuchsleistungssport – und für mich war die Frage, wie ich mich dort helfend einbringen kann.
Redaktion: Was macht das NextGen Camp besonders – worin unterscheidet es sich von klassischen Talentlehrgängen oder Sichtungscamps?
Ruhnow: Wir planen nicht nur Lehrgänge für die Kids. Wir möchten Trainer:innen eine Plattform bieten, auf der sie sich in der Praxis weiterentwickeln können und Inputs von international erfahrenen Expert:innen bekommen. Das geschieht sowohl durch spezielle Coach-Sessions parallel zum Spieler:innen-Lehrgang als auch durch einen Trainermentor, der in der Coach-the-Coach-Rolle unterwegs sein wird. Es soll auch für die Coaches ein echtes Highlight werden.
Redaktion: Das Projekt richtet sich nicht nur an Kinder, sondern auch an Trainer:innen, Vereine und Eltern. Warum ist dir dieser ganzheitliche Ansatz so wichtig?
Ruhnow: Talententwicklung entsteht immer im Dreieck Kind – Trainer:in – Eltern. Die Erfahrung zeigt: Kinder lernen schneller, wenn Trainer:innen gut ausgebildet sind und Eltern die sportliche Entwicklung verstehen und dahinterstehen. Trainer:innen können nur gut wirken, wenn der Verein und die Trainingsgruppe sinnvoll aufgestellt sind. Deswegen binden wir innerhalb des Jahres alle Gruppen aktiv ein – das unterscheidet das NextGen Camp von nahezu allen bisherigen Formaten.
Redaktion: Wie sorgst du dafür, dass sowohl Einsteiger:innen als auch fortgeschrittene Kinder individuell gefördert werden?
Ruhnow: Wir wollen viele Trainer:innen mit unserem Angebot gewinnen und aus den motiviertesten und qualifiziertesten den NextGen-Trainer:innen-Pool bilden, der dann über das Jahr hinweg regelmäßig zum Einsatz kommt. So können wir – wie auch in der Vergangenheit – mit einem Verhältnis von besser als 1:4 mit den Kids individuell arbeiten. Natürlich verfolgen wir übergreifende Themen und einen modernen, langfristig angelegten Entwicklungsplan.
Redaktion: Du sprichst oft von modernen Lernprinzipien. Welche Trainings- oder sportwissenschaftlichen Ansätze fließen konkret in das Camp ein?

Ruhnow: Wir orientieren uns ganz stark an der Online-RTK des DBV. Es geht um ganzheitliches, modernes Training mit dem Ziel, „richtig gutes Badminton“ auszubilden. Es geht nicht mehr um stundenlanges Wiederholen und Einschleifen, sondern um Variabilität, Kreativität und das Ausbilden von Gefährlichkeit. Auf der anderen Seite geht es um mehr als nur Badminton. Badminton ist ein toller Sport, aber die Kinder sollen mehr lernen als nur den Sport – sie sollen auch für Schule und Leben etwas mitnehmen.
Redaktion: Wie bindest du Trainer:innen und Vereine aktiv in das Camp ein? Ist das eher fest strukturiert oder bewusst flexibel gehalten?
Ruhnow: Bewusst flexibel. Am ersten Wochenende bin ich gespannt, wer die Trainer:innen aus Schleswig-Holstein und Hamburg sind, die Lust und Laune haben, mit den Kids zu arbeiten und sich selbst fortzubilden und zu entwickeln. Wer ist offen für Neues und hat richtig Bock, Teil eines neuen Projekts, einer neuen Erfolgsstory zu werden? Ich hoffe auf viele neue, aber auch alte bekannte Gesichter. Ziel ist es, aus den besten Trainer:innen einen Pool zu bilden, die – soweit es deren Kalender zulässt – regelmäßig dabei sind. Gleichzeitig sollen die Lehrgänge immer viele weitere Heimtrainer:innen und interessierte Coaches anziehen.
Redaktion: Das Projekt wird gemeinsam vom Hamburger Badminton-Verband und dem Schleswig-Holsteinischen Verband getragen. Was macht diese Zusammenarbeit für dich besonders stark?
Ruhnow: Schleswig-Holstein hat riesiges Potenzial, das noch schlummert. Schleswig-Holstein war in den 2000er-Jahren unter den Top 3 in Deutschland. Es gibt dort extrem viel Wissen und Badmintonkultur. Zusammen mit Hamburg, das in den letzten 20 Jahren immer wieder Spieler:innen für die deutsche und internationale Spitze hervorgebracht und andere weiterentwickelt hat, ist das Potenzial riesig – wenn wir die Grundlagen richtig legen. Viele Eliteschüler:innen aus Hamburg, die den Sprung an die Erwachsenen-Bundesstützpunkte schaffen, hatten ihren Ursprung in schleswig-holsteinischen Vereinen.
Redaktion: Was dürfen Kinder und Trainer:innen konkret vom ersten Camp im November erwarten?
Ruhnow: Die Kinder erwartet Spaß, Gemeinschaft und jede Menge Badminton. Außerdem gibt es eine kleine Extra-Session am Samstagabend – das habe ich früher schon so gemacht, weil ich immer mehr als nur Badminton bieten wollte. Jedes Kind soll mit einem Lächeln, wenn auch erschöpft, nach Hause gehen. Für die Trainer:innen gibt es zwei zusätzliche Input-Sessions, wenn die Kinder Pause haben oder eine andere Einheit absolvieren – plus, und das ist aus meiner Sicht einzigartig und absolut gewinnbringend: ein international erfahrener Trainer als Mentor in der Coach-the-Coach-Rolle. Trainer:innen bekommen viel zu selten echtes Feedback zu echtem Training – obwohl genau das so wichtig für die Entwicklung ist und höchst wertgeschätzt wird.
Redaktion: Ein Schwerpunkt ist die Förderung von Mädchen und die Entwicklung von Trainerinnen. Warum liegt dir das besonders am Herzen?
Ruhnow: Wir brauchen mehr Trainerinnen im Sport. In meinen Nationalmannschaftsteams – wie auch jetzt in meinem Verein – war es mir immer wichtig, eine Frau im Trainerteam zu haben. Frauen bringen einfach noch einmal eine andere Qualität mit ins Team und ins Training. Das ist besonders wichtig für unsere Mädchen. Wenn wir hier nicht aufmerksam sind, entsteht keine gute Entwicklungsspirale – und dann müssen wir uns nicht wundern, warum es in manchen Mannschaften oft an Damen mangelt.
Redaktion: Wie finanziert sich das Projekt, und wie stellst du sicher, dass Qualität und Nachhaltigkeit langfristig gesichert bleiben?
Ruhnow: Das Projekt muss sich selbst tragen. Sowohl der SHBV als auch der HBV werden personell im machbaren Rahmen unterstützen. Wir werden versuchen, Fördermittel zu gewinnen – was oft nicht einfach ist. Gerade wenn wir Qualität bieten wollen, muss diese eben auch finanziert werden. Außerdem wollen wir versuchen, Sponsoren und Förderer über ein Crowdfunding zu gewinnen, um die Teilnahmegebühren in einem guten Bereich zu halten. Wenn wir das Projekt wie geplant aufstellen können, sehe ich keine Einschränkung – wir brauchen nur Trainer:innen, die Lust darauf haben, etwas Großes entstehen zu lassen!
Redaktion: Und ganz persönlich: Nach all den Jahren im Spitzensport – was motiviert dich, jetzt genau dieses Projekt zu starten?
Ruhnow: Ganz ehrlich: Der erste Kontakt mit dem „heimischen“ Sport kam durch meine eigenen Kinder. Dann war da schnell etwas Wehmut – gerade in Bezug auf die Entwicklung in Schleswig-Holstein. Ich war ja früher nicht nur ein Teil des Hamburger Badmintons, sondern meine Wurzeln liegen im SHBV. Und was den Spitzensport angeht: Letztendlich geht es immer um Training – gutes Training, das den Trainierenden hilft. Für mich ist das kein Unterschied in der Motivation. Es geht darum, die Kids von A nach B zu begleiten, Trainer:innen zu unterstützen und Vereinen neue Ideen und Austauschplattformen zu bieten. Wenn ich etwas mache, dann richtig!
Redaktion: Vielen Dank und viel Erfolg!
